... ich war ein verborgener Schatz und wollte erkannt werden ...

Suzanna Arundhati RoyEine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist bereits unterwegs. An einem stillen Tag kann ich sie atmen hören.

Suzanna Arundhati Roy (*1961)

 

 
 

 

 

© 2024 Akademie-Lichtung

Warum ist achtsame Berührung heilsam?

Wir leben hier in Mitteleuropa in einer Kultur, welche der individuellen Freiheit und Selbstverwirklichung der eigenen Persönlichkeit eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet, wie kaum jemals zuvor. Kaum jemand fühlt sich heute noch durch gesellschaftliche Verpflichtungen gegenüber der Familie, Verwandtschaft, Dorfgemeinschaft, Tradition, Religion etc. leidvoll in seiner individuellen Entwicklung eingeschränkt. Ehemals notwendigen zwischenmenschlichen Kontakte und Verpflichtungen haben heute der Staat und bezahlte Dienstleister übernommen, also: Rentenversicherungen, Krankenkassen, ärztliche Versorgung, Pflegeheime, Kindergärten, Schulen, Finanzdienstleiter, Geburtshilfe und Bestattungsunternehmen etc.  ... und auch das ist gut so!

In ärmeren Ländern in denen Menschen so eng aufeinander leben Menschen ist es heute noch kaum möglich sich ständigen Körperkontakt zu entziehen, sei es in der Großfamilie, dem öffentlichen Nahverkehr, auf dem Markt in der Kirche oder im Kino. Aber so wie dort vielleicht ein "Zuviel" und noch dazu oft eine erzwungene menschliche Nähe gibt, gibt es in unserer Kultur mittlerweile zunehmend  einen Mangel an menschlicher Nähe und liebevollem Körperkontakt.

In unseren Körpern und Genen steckt immer noch die Erfahrung von zig-tausend Jahren als Säugetier und Herdenmensch, von Kommunikation und Identitätsfindung über körperliche Berührung.
Ein Säugling der keine körperliche Berührung erfährt, verkümmert oder stirbt sogar, ... verschwindet dieses Grundbedürfnis nach Berührung einfach so?

Gefühlte Einsamkeit und Ausgrenzung schwächt das Immunsystem und kann auf Dauer körperlich krank machen und zu Depressionen führen, das  zeigen auch medizinische Studien. 
Was kann dann umgekehrt wohl die Erfahrung einer annehmenden, liebevollen Berührung bewirken?

Für die Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und sanft streichelnde Berührung im Körper wurde 2021 der Medizin-Nobelpreis verliehen. Das hat inzwischen auch Studien zur heilsamen Wirkung von Berührung wie diese salonfähig gemacht:

 Malik

Berührungsmedizin – ein komplementärer therapeutischer Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der Depressionsbehandlung

von Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen et al.
Charité – Universitätsmedizin-Berlin (seit 17.12.2021 online)

Einleitung

Zwischenmenschliche Berührungen (engl. social touch) stellen ein menschliches Grundbedürfnis dar, da sie Empathie, Liebe, Fürsorge, Intimität und soziale Zugehörigkeit vermitteln [1] [2]. Die markinischen Berichte über den Modus der von Jesus bewirkten Heilungen, die die vormals Kranken ins soziale Leben zurückführten, illustrieren dies in besonderer Weise [3]. Ein Mangel an zärtlicher Berührung hinterlässt psychische und physische Schäden, insbesondere bei Neugeborenen und Kindern [4] [5]. Die experimentelle und klinische Forschung zur Bedeutung und zu den potenziellen Mechanismen sowohl sozialer wie heilsamer Berührung hat in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Erkenntnissen erbracht, die für viele Bereiche der klinischen Medizin relevant, doch nach unserer Erfahrung vielen Ärztinnen und Ärzten nahezu unbekannt sind. Zwar wird die moderne Medizin immer „biologischer“, körperzentrierter, übersieht jedoch häufig die Unterscheidung zwischen belebtem Leib und objektivierbarem Körper, wie sie auch modernen Embodiment-Konzepten [6] und der Rede vom „verkörperten Bewusstsein“ als Hintergrund einer Psychiatrie als Beziehungsmedizin [7] [8] zugrunde liegt. Daher wird nachstehend versucht, einen Bogen zwischen den Erkenntnissen der modernen Berührungsforschung und der klinischen Medizin zu spannen. Unser besonderes Augenmerk gilt in diesem Kontext den potenziellen Anwendungsgebieten von heilsamer Berührung, z. B. in Form des „Affective Touch“ [9] bei psychischen und psychosomatischen Störungen, die sich nicht nur isoliert, sondern typischerweise auch in Verbindung mit körperlichen Erkrankungen zeigen bzw. sich wechselseitig bedingen – es sei exemplarisch nur an die breit gefächerte Schmerzsymptomatik oder auch die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität depressiver Patienten erinnert [10]. Die Integration moderner Studienergebnisse zu beispielsweise den therapeutischen bzw. präventiven Effekten spezifischer Berührungstechniken in der Schwangerschaft [11] oder der Depression in die praktische Medizin ist ein vielversprechendes Projekt, welches spürbar internationalen Aufwind erfährt [12] [13] [14]. Freilich ist bislang offen, welche Fachdisziplin innerhalb der medizinischen Profession sich dieser Aufgabe stellen will. ...

... und so weiter

 

 weitere Links zu externen  Seiten:

"Heilsame Berührung in der Therapie von Depressionen", Dr. Melanie Klingler (Medizinjournalistin), Pharmindex, 2021

"Heilsame Berührungen - und warum sie so wichtig sind", Doris Joachim (evangelische Pfarrerin), HR2 Morgenfeier, 2016

Impuls der Woche: Heilsame Berührung, Sigrid Haas (Theologin), Konradsblatt des Erzbistum Freiburg, 2021

"Heilsame Berührung: Ohne körperlichen Kontakt können wir nicht leben", Euro Akademie magazin, 2021

 

 

Denkimpuls

dietrich bonhoeffer 150x200Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, daß auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und daß es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, daß Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern daß er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer 1906-1945

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